Schulen öffnen nach 660 Tagen

von Emma Röhrig

Die längste Schulschließung der Welt hat dramatische Auswirkungen auf das ugandische Schulsystem.

Am 10. Januar 2022 öffnete die ugandische Regierung die Schulen. Insgesamt 83 Wochen lang waren sie wegen Covid-19 geschlossen – eine der längsten Schulschließungen der Welt.
War eine Schließung wirklich notwendig? Und musste sie so lange sein? Die Meinungen dazu sind geteilt. Klar ist, dass die Schließung enorme Auswirkungen auf das Bildungssystem, die Lehrer und vor allem auf die Kinder hatte.

Nach Schätzungen von UNICEF Uganda führte die Schließung vom März 2020 dazu, dass rund 15 Millionen Schulkinder insgesamt jeden Monat etwa 2,9 Milliarden Stunden Lernzeit verloren. Viele Kinder gerieten daraufhin in Rückstand, viele werden bereits Gelerntes vergessen haben. Es besteht enormer Nachholbedarf.

Die Regierung hat über Radio, Fernsehen und Internet alternative Lernangebote geschaffen. Einige Schulen boten Online-Unterricht an. Besonders schwer hatten es Familien in armen Gemeinden und ländlichen Gebieten. Ohne Strom und Computer konnten sie die Alternativen nicht nutzen und viele Eltern waren nicht in der Lage, ihre Kinder beim Lernen zu unterstützen.

Nur etwa 10% der Grund- und Sekundarschüler*innen in Uganda nahmen während der Schließung irgendeine Form von alternativem Unterricht in Anspruch.

“Wenn Schulen geschlossen werden, sind die Kinder gefährdet, wobei die Kinder am Rande der Gesellschaft einen höheren Preis zahlen. Es ist nachgewiesen, dass die Rechen- und Lesefähigkeiten der Kinder sinken und viele Gefahr laufen, nie wieder eine Schule zu besuchen. Es gibt weitere Risiken wie Kinderarbeit, negative psychische Gesundheit und sexuelle Ausbeutung, da viele Mädchen im Teenageralter schwanger werden und Opfer von Frühehen werden.”

– Munir Safieldin, UNICEF-Vertreter, Uganda

Schulen bieten nicht nur Unterricht. Sie bieten Kindern und Jugendlichen außerdem ein sicheres, strukturiertes Umfeld, einen Ort, an dem sie Freunde treffen können, und mindestens einmal am Tag eine gute Mahlzeit. Geschlossene Schulen bedeutet, dass Vorteile wie diese wegfallen. Durch die Schließung der Schulen waren einige Kinder einem größeren Risiko von Kindesmissbrauch, häuslicher Gewalt und psychischem Stress ausgesetzt.

Mädchen sind besonders gefährdet

Mädchen und junge Frauen sind in besonderem Maße bestimmten Risiken ausgesetzt. Wenn sie nicht zur Schule gehen, besteht die Gefahr der frühen Verheiratung und der sexuellen Ausbeutung oder Prostitution, um Geld zu verdienen. Werden sie schwanger, brechen viele die Schule ab. Das hat nicht nur persönliche Folgen für die Betroffenen, sondern bedroht außerdem die jahrelangen Fortschritte, die im Bereich der Chancengleichheit für Mädchen und Frauen im Bildungswesen in Uganda gemacht wurden.

Die Pandemie verschlimmert die Armut

Eine Untersuchung der Ugandischen Regierung (UNHS) von 2019/20 zeigt, dass der Anteil der Haushalte, die unter der nationalen Armutsgrenze leben, in den letzten Jahren während der Covid-19-Pandemie gestiegen ist. Zwar hat das Bildungsministerium die Schulen angewiesen, ihre Schulgebühren nicht zu erhöhen, doch Lohnkürzungen, der Verlust der Lebensgrundlage und Arbeitslosigkeit machen es vielen Familien trotzdem unmöglich, die Gebühren zu bezahlen.

Lokale Medien berichten außerdem, dass die wachsende Armut viele Eltern gezwungen hat, ihre Kinder arbeiten zu schicken und Mädchen jung zu verheiraten. Zahlen der Regierung deuten darauf hin, dass die Verbreitung von Kinderarbeit zwischen Januar 2020 und Juli 2021 von 21% auf 36% gestiegen ist. UNICEF Uganda befürchtet, dass viele Kinder nie wieder zur Schule gehen werden. In einigen Bezirken haben in den ersten Tagen nach der Wiedereröffnung der Schulen nur ein Drittel der Kinder den Unterricht wieder besucht.

Schon vor der Pandemie war das Bildungssystem dringend reformbedürftig. Die Pandemie hat die Situation noch verschlimmert. Viele Lehrer mussten sich eine andere Arbeit suchen; viele Privatschulen gingen bankrott.

Nach Angaben von nationalen Behörden mussten landesweit 3507 Grundschulen und 832 weiterführende Schulen schließen. Während der Staat die Gehälter der Lehrkräfte an staatlichen Schulen weiter bezahlt hat, standen die Lehrer an Privatschulen mit leeren Händen da. Sie hatten keine andere Wahl, als ihren Lebensunterhalt auf anderem Weg zu verdienen. Die Privatschulen und Privatlehrkräfte waren jedoch stets das Rückgrat des ugandischen Schulsystems; ihr Fehlen stellt das Bildungssystem vor große Herausforderung. Die staatlichen Schulen alleine sind nicht in der Lage, die Nachfrage zu bedienen. Vor allem in den ländlichen Gebieten sind die Plätze an staatlichen Schulen rar und die Qualität der Bildung deutlich schlechter.

Die Situation in Bukedea

Auch Bukedea ist von den Folgen der Pandemie nicht verschont geblieben. In Bukedea sind 10% bis 20% der Schüler*innen noch nicht wieder zur Schule zurückgekehrt. Das von Glocal LifeLearn e.V. betriebene Lifeline Uganda-Programm hatte jedoch Glück im Unglück. Nur zwei der 62 von uns unterstützten Schüler*innen haben das Programm abgebrochen. Eine Schülerin ist in Mutterschaftspause und wird zurückkehren, sobald ihr Kind alt genug ist. Drei weitere Schüler*innen haben zu einer Berufsausbildung gewechselt, um nach den herausfordernden Zeiten der Pandemie schnellstmöglich eigenes Geld zu verdienen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Privatschulen ist es den Lifeline Bukedea-Schulen glücklicherweise gelungen sich zu halten. Obwohl die Schule zeitweise mit vielen Kündigungen der Lehrkräfte zu kämpfen hatte, konnte sie einige dieser Lehrkräfte wieder einstellen und neue Mitarbeitende dazugewinnen.

Die Bukedea-Schulen versuchen den Wiedereinstieg zu erleichtern und die Schülerinnen und Schüler bei Lernrückständen zu unterstützen. Die Regierung hat angeordnet, dass jedes Schulkind in die nächste Klassenstufe versetzt wird. Die Schule hat zusätzliche Unterrichtsstunden angesetzt, um die Schüler dabei zu unterstützen. Der zusätzliche Unterricht findet vor und nach dem offiziellen Unterricht statt. Einige Kinder, die einen besonders langen Schulweg haben, stellt das vor eine Herausforderung. Um zu verhindern, dass Kinder frühmorgens oder spätabends lange Wege zur Schule zurücklegen oder notfalls ganz der Schule fernbleiben, wollten die Bukedea-Schulen mehr Internatsplätze schaffen. Damit die Familien nicht zusätzlich finanziell belastet werden, haben die Bukedea-Schulen beschlossen, die Schulgebühren nicht zu erhöhen. Dennoch haben viele Familien im Bukedea-Distrikt aufgrund finanzieller Einbußen Probleme, diese zu zahlen.

Eine gute Zusammenarbeit und eine starke Unterstützung der Schulen ist daher besonders jetzt enorm wichtig.
Glocal LifeLearn wird dafür tun, was es kann. Für jede Unterstützung sind wir sehr dankbar, auch im Namen der Bukedea-Schulen.

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